Vermächtnis
Wenn ich sterbe, so bereitet
Mir mein Grab als Zinne,
Wo die Steppe weit sich breitet,
In der Ukraine:
Dass ich schaue, lieblich Auen
Sich mit Saaten füllen;
Dass ich höre, rauh den rauhen,
Wilden Dnipro brüllen.
Wenn des Feindes letzte Leichen
Sich im Strome ballen,
Will ich aus dem Grab entweichen
Und zum Himmel wallen.
Will die Freiheit ihm verdanken
Will Gott nennen und bekennen …
Doch vorher, in Kerkerschranken
Mag ich Gott nicht kennen.
Grabt mich ein – was liegt am Toten?-
Sprengt die Sklavenbande,
Und im Blute der Despoten
Tilgt des Landes Schande!
Dann auch meiner wollt als Freie
Wehmütig gedenken,
Und mir in der Brüder Reihe
Still ein Wörtlein schenken.
Aus dem Ukrainischen von Hans Koch
Ich bin nicht krank, Gott sei es Dank…
Ich bin nicht krank, Gott sei es Dank,
Doch ist mein Herz so bang, so bang,
Und harrt auf etwas voller Schmerz
Und härmt sich schlaflos ab und sinnt
Wie eines Bettlers hungrig Kind.
Was schmerzt dich so, mein armes Herz?
Ahnst du ein neues bittres Weh?
Denn Glück hast du ja nicht zu hoffen,
Die Freiheit ist ins Herz getroffen,
Und sank das edle, blut'ge Reh
An Zaren Niklas scharfem Pfeile.
Um sie zu wecken uns zum Heil,
Müsst ihr gemeinschaftlich das Beil
Verbrennen, müsst ihr schärfen gut
Die Axt…
Aus dem Ukrainischen von Iwan Franko
Abend
Im Kirschengärtlein vor dem Hütte
Man tausend Käfer summen hört.
Die Pflüger wenden Pflug und Pferd,
Die Mädchen schleunen ihre Schritte,
Die Mütter warten vor dem Herd.
Gedeckt der Tisch steht vor dem Hütte,
Das Töchterlein die Schlüsseln bringt.
- Der güldne Abendstern erblinkt:
Der Mutter abendliche Bitte
Im Sang der Nachtigall verklingt.
Die Kindlein lagern vor der Hütte,
Die Mutter legt sich auch dazu:
Bald schlafen Mensch und Feld und Kuh.
Nur Nachtigall und Mädchenschritte
Verscheuchen noch des Dorfes Ruh.
(Aus dem Ukrainischen von Hans Koch)
Graue Lieder
Graue Lieder dunkler Stunden,
Trüb seid ihr gediehen!
Was hat euch zum Vers gebunden
Graue Melodien?
Warum stäubt ihr nicht im Winde,
Gleich dem Steppenflaume?
Und betäubt euch nicht im Schicksal,
Wie ein Kind im Traume?
Graue Lieder dunkler Stunden,
Kinder mein und Blüten!
Ich hab' euch zum Vers gebunden,
Ich will euch behüten:
Zieht zur Heimat, helft sie preisen,
Eurer Väter Erbe.
Sie – die Mutter, ihr – die Weisen,
Wenn ich hier verderbe.
Dort lässt man euch Wahrheit künden,
Und die Brücken schlagen,
Dort wird man euch Freude finden,
Ruhm selbst nicht versagen.
So empfang denn meine Lieder,
Mutter Ukraine,
Als die eignen Kinder wieder,
- Sang der Ukraine!